
Dank dem Austausch auf Bookstagram bin ich in der letzten Woche zu meinem vierten Jahreshighlight gekommen. Weder Titel, Cover noch Klappentext hätten mich wahrlich auf die Idee gebracht, dass die Geschichte das ist, als was ich sie erleben durfte. Es ist eine Liebesgeschichte, es ist ein Kriminalroman und narrative Wissensvermittlung mit einem Hauch modernem Dschungelbuch.
Die Protagonistin
Ein Kind, das sich alleine großzieht, nachdem es in frühster Kindheit in lieblosen und ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Kya ist die Protagonistin, die man im Dorf nur das Marschmädchen nennt. Kya, verlassen von Eltern und Geschwistern, schlägt sich alleine durch, überlebt und lebt in und mit dem Sumpf und der dort vertretenen Flora und Fauna.
Das Besondere
Die Autorin greift eine Vielzahl an Themen auf, legt sie wie bunte Fäden auf ein Brett und schafft es bis zum Schluss, sie zu einem unifarbenen Faden zusammenzuknüpfen. Manchmal habe ich daran gezweifelt, wie sie die unterschiedlichen Themengebiete ineinander verweben möchte, aber ich muss es ihr lassen – sie hat es geschafft. Sie bedient sich dafür einer einfachen Technik: Finger weg von großen Gesten, ausufernden Handlungsfeldern oder rein funktionalen Figuren! Seichte Übergänge, treue Figuren und klare Bezüge zwischen den Gegebenheiten, stellen die besagte Verknüpfung nach und nach her. Die Geschichte bleibt dabei stets spannend und lässt mich als Leserin auch emotional nicht im Stich, denn auch sprachlich berührt sie mich verlässlich. Es sind gesellschaftskritische, pädagogische, nicht zuletzt entwicklungssoziologische und entwicklungspädagogische Aspekte, die Kya uns aufzeigt.
So viel soll da reinpassen?
Ja, dieses Buch möchte gerne Vieles in einem sein. Es schneidet wirklich wichtige Themen an. Rassismus und Rassentrennung in den Südstatten der USA, mangelnde Infrastruktur und deren Auswirkung auf die gesellschaftliche Struktur – unter anderem, betreffend den Bereich Bildung. Ausgrenzung, Mobbing, häusliche Gewalt, der Zweite Weltkrieg und der Vietnam Krieg, die Todesstrafe, das Geschworenengericht, die frühe Gerichtsmedizin das Polizeiwesen in den Südstaaten und noch einige mehr. Genau so rasch wie ich es hier aufliste, fliegen die Themen an dir als Leser:in vorbei. Und das ist auch wirklich gut so, auch wenn man diese Umsetzung durchaus als Kritikpunkt betrachten kann. Für manch einen mag dies zu viel des Guten und zu wenig Detail sein. Durchaus nachvollziehbar, umfasst die Autorin derlei wichtige Themen durch nur eine Protagonistin und einer Marsch, einer Kleinstadt und nur einer etwas größeren Stadt. Delia Owens balanciert die Themen jedoch so elegant aus, dass ich als Leserin nicht den Fokus verloren habe. Im Gegenteil, ich habe an mir selbst beobachten können, mir die nebenbei genannten Aspekte zu merken und nachzulesen. Wie genau sah die Rassentrennung in den 50igern in den USA aus, welche politischen Entwicklungen erfolgten in der Zeit zu der der Roman spielt? Wie sah die Bildungslandschaft in den Südstaaten aus? Alles Fragen, die ich mir beantworten werde, weil der Roman mein Interesse geweckt hat.
Und was will man bitte sonst noch mehr?
Glasklare Leseempfehlung !